Eröffnung Hornussen heute, 16. Oktober 2019
Begrüssung
Seit sieben Jahren selbständig, steht in seinem Lebenslauf. Er könnte auch schreiben: Seit sieben Jahren pensioniert. Doch genau das ist er eben nicht. Mit 62 ist Hans Hofmann nicht in Pension gegangen, mit 62 wurde er freischaffender Fotograf. Er hat schon vorher fotografiert, als er noch Lehrer und Dozent an der PH war, aber vor sieben Jahren hat er die Leidenschaft zum Beruf gemacht.
Das ist das eine, das mir gefallen hat, als er zum ersten Mal ins Kornhausforum gekommen ist, um seine Bilder vom Hornussen zu zeigen. Dass einer sich mit über 60 entscheidet, in ein Metier einzusteigen, das nun wirklich kein einfaches ist, mit der grossen Tradition im Hintergrund und einem durch die Digitalisierung komplett veränderten Umfeld. Oder, ganz direkt: Dass dieser Hans Hofmann meint, er sein nun Fotograf, er habe etwas zu zeigen, was wir so vielleicht noch nicht gesehen haben, und alles erst noch in Schwarz-weiss, Farbe kommt überhaupt nicht in Frage, würde nur stören. Also gerade bescheiden ist das nicht, bei der Bilderflut heute und, auf der professionellen Ebene, angesichts der breiten Konkurrenz.
Aber Hans Hofmann hat diesen Anspruch. Er hausiert nicht damit, das ist nicht seine Art. Er ist ja keiner, der sich aufdrängt, er ist auch nicht laut, eher ein Leiser. Doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Das ist das zweite, das mir gefallen hat: Eine sanfte Hartnäckigkeit, könnte man es nennen. Denn wenn Hans Hofmann eine Idee im Kopf hat, lässt er nicht mehr locker. Sei das bei der Recherche nach dem richtigen Bild, wo er in den letzten Jahren oft, wenn er nicht auf den Spiel- und Festplätzen der Hornusser war, allein durch einsame Landschaften gezogen ist, oder sei das in der Umsetzung, in der Realisation eines Projekts. So ist auch das Hornusser-Projekt zustande gekommen. Er wollte eine Ausstellung und er wollte ein Buch – er hat beides bekommen.
Ich bin vermutlich fast etwas nervig geworden, als ich ihn im Gespräch, das wir für den Text zum Buch geführt haben, nach den Beweggründen fragte, die Hornusser überhaupt zum Thema zu machen. Ich habe mehrmals nachgebohrt, aber er hatte, genaugenommen, dazu eigentlich nichts zu sagen. Keine kulturelle Überhöhung, keine politische Deutung oder Umdeutung, ausser ein paar schönen Erinnerungen an das «Tappere» in den Sommerferien als Kind auf dem Bauernhof in Wasen auch keine persönlichen Beziehungen. Nicht ein, grosser, ehrgeiziger Entwurf, eine kleine, flüchtige Begebenheit stand am Anfang: Auf einer Zugsfahrt nach Solothurn hat er draussen auf dem Feld Männer spielen sehen. Dort hat es ihn gepackt. Er nahm, fast wörtlich, noch am gleichen Abend Kontakt auf mit dem Schweizerischen Hornusser Verband, und nicht viel später hat er die ersten Bilder gemacht. So einfach ist das gegangen.
Hans Hofmann hatte sein Thema gefunden. Das genügte ihm, mehr brauchte er nicht zu wissen. Was er wissen musste, hat er auf den Plätzen und unter den Spieler und Spielerinnen gelernt. Ihrer Welt hat er sich ganz hingegeben, mit Neugier und fast ein wenig naiv, wie er selber sagt. So arbeitet er, nicht nur bei den Hornussern, sondern auch zwischen den Süntel-Buchen in Frankreich, diesen knorrigen Kerlen, denen das Wachsen so viel Mühe zu bereiten scheint. Hans Hofmann hat sich bei ihnen am Schluss bedankt dafür, dass er sie fotografieren durfte. Das ist es eben, was der Fotograf «fast ein wenig naiv» nennt, dieser unbeschwerte, vielleicht auch unschuldige Blick auf die Dinge. Dieser, man darf es in unserer so problembeladenen Zeit fast nicht laut sagen, dieser positive Blick auf die Welt.
Dieser Blick hat auch seine Sicht auf das Hornussen geleitet. So hat er, noch einmal seine Worte, «freundliche, bodenständige Menschen getroffen», unter denen er sich gut fühlte und mit der Zeit vielleicht auch wenig daheim. Er erzählt mit glänzenden Augen von ihnen, und mit grossem Respekt. Seinen Bildern ist das anzumerken: Sie strotzen vor Lebenskraft und sie sind eine Ode an diesen Sport, von dessen Spieler und Spielerinnen Walter Däpp in seinem Buchtext schreibt, dass sie kräftig und schnell sein müssen, aber auch ruhig und zuverlässig. Und dass Dynamik, Geschwindigkeit, Konzentration, Präzision, Beweglichkeit und Explosivität ausschlaggebend seien. Walter Däpp reiht in seinem atmosphärisch dichten Text noch weitere Qualitäten und Talente auf, die fürs Hornussen nötig sind, ich zitiere sie nun nicht alle. Aber eines wird schon so offensichtlich: Das ist Hochleistungssport, was da auf den Spielplätzen abläuft. Mit den Klischees, die die meisten Nicht-Hornusser noch immer teilen, hat das grad gar nichts zu tun.
Natürlich, angefangen hat es währschaft und handfest. Mitte des 19. Jahrhunderts, als Gotthelf vom Hornussen geschrieben hat, wurde der sportliche Aspekt noch weniger hoch gewichtet. Die Emmentaler Jungbauern trafen sich im Herbst oder im Frühjahr auf kargen Äckern zum Wettkampf, jeweils am Sonntag, was bedeutete, dass der Gottesdienst gelegentlich geschwänzt wurde, was wiederum zur Folge hatte, dass man zum Pfarrer musste und dort zusammengestaucht wurde. Es traten Dörfer gegeneinander an und es ging um mehr als nur einen Wettkampf, es ging ums Ganze – zum Abschluss prügelte man sich noch gehörig, erst dann stand der Sieger des Tages wirklich fest. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Schweizerische Hornusserverband gegründet, und der brachte Ordnung in den wilden Volksbrauch. Er wandelte sich allmählich zur modernen Sportart mit Meisterschaftsbetrieb in verschiedenen Ligen. Alle drei Jahre gibt es ein Eidgenössisches, Bundesräte – von Rudolf Minger über Rudolf Gnägi bis zu Moritz Leuenberger und Alain Berset – lassen sich dort gern sehen. In Walkringen im letzten Jahr, dem 38. Eidgenössischen Hornusserfest, nahmen 250 Mannschaften teil, 5000 Spieler und Spielerinnen.
In Walkringen war Hans Hofmann auch dabei. Die Bilder der Ausstellung und im Buch entstanden zwischen Juni 2017 und April 2019. Fotografiert wurden sie auf zwölf Plätzen der Nationalliga und an über zehn weiteren Anlässen und Festen. Detailliert können Sie das alles im Buch nachlesen. Entstanden ist daraus die erste fotografische Dokumentation in dieser Breite über das Hornussen als moderne Sportart. Sie vermittelt ein Stück Schweizer Alltag, das wir, die Nicht-Hornusser, noch nie so gesehen haben, so jenseits aller Klischees, und Sie, die Spieler und Spielerinnen vielleicht noch nie in dieser Unmittelbarkeit und Dynamik. Gut, ist Hans Hofmann mit dem Zug nach Solothurn gefahren. Gut, ist er so hartnäckig geblieben. Das musst du zuerst einmal machen: Gerade erst 70 geworden und schon so ein Ding hinlegen. Kompliment.
Bernhard Giger